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Schutz des Ortsbildes
Seit Jahren kämpft die Interessengemeinschaft (IG) Scheitingen mit
Unterstützung weiter Bevölkerungskreise für eine quartierverträgliche
Gestaltung und Überbauung der Scheitingerwiese. Dieses 1,2 ha grosse
Grundstück gehört zum Areal, welches im Bundesinventar der Landschaften
und Naturdenkmäler enthalten ist (BLN-Objekt 1411).
Steckborn ist als Kleinstadt/Flecken im Bundesinventar der schützenswerten
Ortsbilder von nationaler Bedeutung (ISOS) aufgeführt. In der vom
Eidgenössischen Departement des Innern herausgegebenen Publikation
„Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz, Ortsbilder von
nationaler Bedeutung, Kanton Thurgau, Band Thurgau O – Z“ (ISOS-TG), Bern
2008, wird für die Scheitingerwiese festgehalten: Empfindlicher Teil des
Ortsbildes. Erhaltungsziel: „Erhalten der Eigenschaften, die für die
angrenzenden Ortsbildteile wesentlich sind.“
Quartiercharakter erhalten
Die Scheitingerwiese liegt an leicht geneigter Nordhanglage. Sie ist
eingebettet in ein Einfamilienhausquartier. Anfänglich planten die
Grundeigentümer eine Überbauung mit Ein- und Doppeleinfamilienhäusern. Die
Steckborner bewilligten 2006 ein entsprechendes Strassenprojekt. Das
damals von den Eigentümern geplante kleinkörnige Bebauungskonzept
entsprach der vorhandenen Quartierstruktur.
Trotzdem entschloss sich
die Eigentümerin, eine Erbengemeinschaft, anstelle von Ein- und
Doppeleinfamilienhäusern eine Bebauung mit sieben Mehrfamilienhäusern mit
zentraler Tiefgarage zu realisieren. Sie liess einen entsprechenden
Gestaltungsplan ausarbeiten. Der Stadtrat Steckborn legte diesen im Sommer
2012 öffentlich auf.
Ein Sturm der Entrüstung
brauste durch Steckborn. Die Anwohner organisierten sich in der
Interessengemeinschaft (IG) Scheitingen. 371 Anwohner, Haus- und
Landbesitzer und Bewohner von Steckborn unterzeichneten die Petition
<Gestaltungsplan Scheitingen: so nicht>. 34 Einsprachen gingen bei der
Stadt ein.
Die Stadt Steckborn legte daraufhin vom 14.12.2012 bis 14.01.2013 einen
zweiten, geringfügig geänderten Gestaltungsplan öffentlich auf. Dieser
wurde 2014 – auf Rekurs der IG Scheitingen hin – vom Kanton abgelehnt.
Scheitinger-Initiative
Am 31.05.2016 reichte die IG Scheitingen die Initiative <Für eine
quartiergerechte Gestaltung und Überbauung der Scheitingerwiese> ein. Mit
dieser Initiative sollte unmissverständlich statuiert werden, dass auf der
Scheitingerwiese unter dem Deckmantel der Verdichtung keine wuchtigen
Wohnblöcke zwecks kurzfristiger Gewinnmaximierung gebaut werden dürfen.
Am 11.06.2017, nach einem durch die Stadt verursachten Abstimmungs-Chaos,
unterstützten zwar 406 Stimmberechtigte die Initiative, aber 553 legten
ein „nein“ in die Urne. Damit war die Volksinitiative Scheitingen
abgelehnt. Ausschlaggebend für die Ablehnung war erstens, dass die
Mitbesitzerin der Scheitingerwiese gleichzeitig auch Besitzerin der
Landparzelle ist, auf welcher ein neuer Sportplatz realisiert werden soll.
Sie versprach dem Stadtrat Steckborn, das für den Bau des Fussballplatzes
benötigte Land schenkungshalber abzutreten, wenn die Scheitingerwiese
nicht umgezont wird. Im Abstimmungskampf haben deshalb die Befürworter
eines neuen Fussballplatzes – unterstützt vom Stadtrat Steckborn –
behauptet: Ohne Überbauung kein Sportplatz und weiter; bei Annahme der
Scheitinger-Initiative rücke eine Umplatzierung des bestehenden
Sportplatzes Emmig in weite Ferne. Der zweite Grund für die Ablehnung der
Scheitinger-Initiative war das Versprechen des Stadtrates, das Anliegen
der Initianten im Rahmen der laufenden Gesamtrevision der Ortsplanung in
einer Gesamtbetrachtung zu prüfen. Viele Steckborner überzeugte das
Argument des Stadtrates, eine Umzonung der Scheitingerwiese solle nicht
partikular erfolgen, sondern müsse sinnvollerweise im Rahmen der
anstehenden Ortsplanungsrevision geprüft werden. Viele vertrauten darauf,
dass das Anliegen der Initiative im Rahmen der Gesamtrevision der
Ortsplanung sowieso berücksichtigt werde.
Gemäss Strategiebericht zur Gesamtrevision der Kommunalplanung Steckborn
(Fassung 06.11.2018) gehören folgende grossflächigen Baulandreserven in
Steckborn zu den Neuentwicklungsgebieten: Weier, Öösterloh, Scheitingen,
Halde, Ober Grind, Hof, Hänki-Geere. In diesen Gebieten ist – so der
Strategiebericht – keine Verdichtung um jeden Preis, sondern eine
qualitätsvolle Innenentwicklung unter Beachtung der bestehenden
Siedlungsstrukturen anzustreben.
Umstrittener Gestaltungsplan
Vom 19. 10. – 08.11.2018 wurde ein (dritter) Gestaltungsplan Scheitingen
öffentlich aufgelegt. Er berücksichtigt die seit 1945 bestehende
Siedlungsstruktur weiterhin nicht, sondern unterscheidet sich von den bisherigen
Gestaltungsplänen einzig dadurch, dass die sieben Wohnblöcke nicht mehr in
zwei militärisch ausgerichteten Reihen, sondern leicht abgedreht gebaut
werden sollen.
Gegen diesen
Gestaltungsplan erhob die IG Scheitingen, vertreten durch über 30
Personen, bei der Stadt Einsprache. Der Stadtrat bearbeitete diese
Einsprachen nicht. Er erklärte sich wegen der am
29.05.2019 öffentlich
beurkundeten Landschenkung für den neuen Fussballplatz
für befangen.
Mit
Entscheid vom 25.09.2019 ist das
Departement für Bau und Umwelt (DBU) des Kantons Thurgau zum Schluss
gekommen, dass der Stadtrat Steckborn – trotz seiner Befangenheit – den
Gestaltungsplan Scheitingen öffentlich auflegen durfte; die vom Stadtrat
Steckborn selber anerkannte Befangenheit wird erst in den hängigen
Einspracheverfahren beurteilt.
Am 28.10.2019 hat der Stadtrat Steckborn für die Neuentwicklungsgebiete
Weier, Öösterloh, Halde, Ober Grind, Hof, Hänki-Geere eine Planungszone
für die Dauer von zwei Jahren erlassen. Innerhalb der Planungszonen können
Gestaltungspläne nur erlassen werden, wenn sie sich auf ein
Bebauungskonzept abstützen, das durch ein anerkanntes Wettbewerbsverfahren
ermittelt wurde. Keine Planungszone erlassen wurde für die
Scheitingerwiese, obwohl diese gemäss Strategiebericht zur Gesamtrevision
der Kommunalplanung Steckborn ebenfalls zu den Neuentwicklungsgebieten
gehört. Grund für diese Ausnahme gemäss Stadtpräsident R. Pulfer: Die
Planung für die Scheitingerwiese sei "zu weit vorgeschritten".
Aktualisiert: März 2023
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